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TEXT   Christiane Stoltenhoff

Auch Vorgärten sind Gärten, und was für welche – wenn man sie nur lässt. Noch gehören sie allerdings vielerorts bestenfalls zur vernachlässigten Sorte, schlimmstenfalls wurden sie schlichtweg zugeschüttet. Beides sollte sich dringend ändern.

Der Gartenboom hält an: Gartenmessen und Zeitschriften für Menschen mit und ohne grünen Daumen haben Hochkonjunktur, ebenso Pflanzencenter und auch der professionelle Garten- und Landschaftsbau. Soweit, so erfreulich. Doch scheint es gewisse Zonen zu geben, die mehr oder weniger konsequent ignoriert werden bei den Bestrebungen, das eigene Grundstück in ein individuelles grünes Paradies zu verwandeln: die Vorgärten. Ein kurzer Spaziergang durch das nächste Einfamilienhausquartier reicht, um sich Gewissheit zu verschaffen: Vorgärten sind Entwicklungsland in Sachen Gartengestaltung! Und das sowohl in der so genannten besseren Wohngegend als auch im uniformen Reihenhausviertel, im Norden wie im Süden, in der Stadt und auf dem Dorf.

Hauptdarsteller Pflanze

Eine mögliche Erklärung dafür, warum das so ist, liefert Maximilian Holzhausen, Geschäftsführer von GrünForm Achtermann aus dem niedersächsischen Springe: „Die Menschen wünschen sich pflegeleichte Gärten und die Bereitschaft, Zeit und Arbeit in den Garten zu investieren, ist beim Vorgarten noch einmal geringer als beim Wohngarten“, so seine Vermutung. Das führt dazu, dass Vorgärten oft entweder gar nicht oder mit möglichst wenig Pflanzen gestaltet werden in dem irrigen Glauben, sie so besonders pflegeleicht zu machen. Das Plädoyer Holzhausens und auch seines Kollegen Martin Otten aus Georgsmarienhütte hat aber genau den gegenteiligen Tenor: „Mehr Pflanzen in die Vorgärten“, lautet ihr Appell. Für beide sind Pflanzen die unangefochtenen und einzig wahren Hauptdarsteller eines Gartens – auch vor dem Haus. Und das nicht allein aus ästhetischen Gründen, denn die Annahme „Viel Pflanze gleich viel Arbeit“ ist aus Sicht der Gartenprofis alles andere als stimmig. „Die Leute denken immer, viele Pflanzen machen viel Arbeit. Aber das ist Quatsch“, sagt Holzhausen klipp und klar. „Wenn man es richtig macht, sind Pflanzen das pflegeärmste was man in seinem Garten unterbringen kann“, pflichtet Martin Otten bei.

»Wenn man es richtig macht, sind Pflanzen das pflegeärmste, was man in seinem Garten unterbringen kann.«
Für jeden Ort die passende Pflanze

Wie im Wohngarten auch heißt die Grundregel bei der Pflanzenauswahl für den Vorgarten, standortgerecht zu pflanzen, also solche Protagonisten auszuwählen, die mit den Gegebenheiten vor Ort in Bezug auf Licht, Sonneneinstrahlung, Bodenbeschaffenheit und Wasserangebot gut zurechtkommen – und all das kann im Vorgarten durchaus speziell sein. Für die Vorgarten-Pflanzenauswahl haben die beiden Gartengestalter darüber hinaus noch ein paar weitere Ratschläge. Einer lautet: „Nicht zu durcheinander pflanzen. Zum einen erleichtert das die Pflege, zum anderen bringt die Reduzierung auf wenige Sorten optische Ruhe in den Vorgarten. Die ist ganz wichtig, weil Vorgärten ja in der Regel nicht so groß sind und kein Durcheinander vertragen“, erläutert Maximilian Holzhausen. Bei der Anzahl der Pflanzen geht er aber durchaus in die Vollen, damit möglichst schnell keine Erde mehr zu sehen ist: „Das ist das beste Mittel gegen Unkraut“, lautet sein Ratschlag.

Ein anderer von Martin Otten heißt: „Bloß kein Rasen!“ Und dafür hat er gute Gründe: Zum einen die übliche Nutzung von Vorgärten: Sie beherbergen Transitwege zum Haus, zur Garage, zur Mülltonne, sollen das Haus einrahmen, beleben, aber sie werden kaum als Aufenthaltsort genutzt wie ein Wohngarten. Hier will niemand Fußball spielen, ein Sonnenbad nehmen oder mit dem Hund herumtollen, deshalb ist aus Ottens Sicht ein Rasen im Vorgarten funktional überflüssig. Zum anderen gehört Rasen nicht eben zu den pflegearmen Gestaltungsmöglichkeiten und hat zudem für den Gartengestalter – gerade auf den meist kleinen Flächen – optisch nicht viel zu bieten.

Hier bekam der Hausbaum vor der Tür dank runder Pflasterung seinen eignen kleinen Platz
Gepflanzte Blickfänger

Ganz anders ist das mit Gehölzen: Sorgfältig ausgesucht und in Form und Größe zu den Abmessungen des Vorgartens passend, sind sie für Maximilian Holzhausen geradezu ein Must-have: „Als Solitär oder kleine Gruppe erzielt man damit einen enormen Effekt: Man bekommt einen regelrechten Blickfänger, nimmt einer hohen Fassade die Massigkeit, macht auf kleinstem Raum die Jahreszeiten erlebbar und mit einer Baumkrone, die in Kopfhöhe oder leicht darüber liegt, schafft man auch noch Heimeligkeit – man fühlt sich beschirmt.“

 

In den Beeten darf es nach Holzhausens Ansicht bei aller Reduktion im Einzelnen durchaus üppig zugehen, da sollen Blüten leuchten und Gräser opulent wachsen. Gerade letztere sorgen unter anderem dafür, dass der Vorgarten auch in den weniger attraktiven Monaten ansprechend aussieht – ebenfalls ein Aspekt, den man bei der Planung seines Vorgartens unbedingt berücksichtigen sollte.

Auch in großen Vorgärten ist der Verzicht auf Rasen meist eine gute Entscheidung. Umso mehr Platz bleibt für eine eigenständige Gestaltung.
Die hellen Schrittplatten im dunklen Kies weisen den Weg zur etwas versteckt gelegenen Eingangstür
Gartengestalter als Pflanzenanwälte

Aber natürlich wissen die Gartenprofis auch, dass sie noch Einiges an Entwicklungshilfe leisten müssen, um Gartenbesitzer von üppigen Beeten im Vorgarten zu überzeugen: „Von meinen Kunden hat sich noch niemand von sich aus mehr Pflanzen für seinen Vorgarten gewünscht. Im Gegenteil. Da sind wir als Berater gefragt“, berichtet Maximilian Holzhausen. Gerade in diesem Punkt ist er seine eigene Zunft durchaus kritisch, denn viele Gärtner verstünden sich seiner Erfahrung nach gar nicht unbedingt als Anwalt der Pflanzen, sondern seien schwerpunktmäßig in Bautechnik ausgebildet. Umso wichtiger findet er den Ansatz der Gärtner von Eden, die Pflanze in den Mittelpunkt jeder Gartenplanung zu stellen.

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