Klein, bunt
und lecker!
Lässt man ihre Blüten stehen, bilden Rosen kleine Vitamin-C-Bomben. Mit Hagebutten kann man Tee und Konfitüre zubereiten, aber auch Wildgerichte würzen
Der Frühling gehört den Blüten. An Früchte denkt man in dieser Jahreszeit noch nicht. Doch es lohnt sich, schon jetzt dafür zu sorgen, dass im Herbst Perlen an den Sträuchern reifen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Dieser Text soll Lust auf jene kleinen Früchte machen, die die meisten eher mit den Augen als mit dem Gaumen genießen. Dabei sollte man diese verkannten Früchte nicht einfach am Strauch hängen lassen. Neben ihren optischen haben viele auch kulinarische Qualitäten und schenken zudem Gelassenheit: Man kann sie ernten, muss es aber nicht. Was am Strauch bleibt, hilft den Tieren beim Überwintern. Anders als Obst wie Äpfel oder Kirschen, deren Sorten für den Erwerbsgartenbau immer weiter gezüchtet wurden, standen die sogenannten Wildgehölze wie Holunder (Sambucus nigra) oder Sanddorn (Hippophae rhamnoides) jahrelang kaum im Fokus der Züchter. Da ihre Früchte klein und häufig weich sind, werden diese auch Beeren genannt. Aus wissenschaftlicher Sicht tragen jedoch weder Holunder- noch Sanddornsträucher Beeren. Ihr Samen ist von einer harten Hülle umgeben. Streng genommen handelt es sich deshalb um Steinfrüchte. Dass sie an dieser Stelle trotzdem Beeren genannt werden, möge der kundige Leser mit Nachsicht zur Kenntnis nehmen. Unabhängig von ihrer botanisch korrekten Bezeichnung haben Mini-Früchte wie die des Holunders einen Platz im Garten und in der Küche verdient.
Tatsächlich werden neben den bekannten Johannis- oder Brombeeren zunehmend Sträucher gepflanzt, deren Früchte bisher uninteressant schienen, erzählt Klaus Gröning, Gärtner von Eden aus Göppingen: „Die Wildsträucher müssen natürlich zum Gartenstil passen. Ich zwinge sie niemandem auf, aber es sorgt für Leben, wenn dort die Vögel Beeren finden oder ein Siebenschläfer im Gehölz unterschlüpft. Außerdem schmücken die Früchte den Strauch und viele schmecken sogar ganz gut.“ Besonders häufig pflanzt Gröning Holunder, einen alten Bekannten, der früher auf nahezu jedem Bauernhof wuchs. Längst ist die Art so beliebt, dass neue Sorten gezüchtet wurden: ‘Black Lace’ überrascht mit purpurfarbenem Laub und erinnert mit seinen geschlitzten Blättern sogar an Japanischen Ahorn. Und wer Wert auf einen besonders guten Ertrag legt, wird die Sorte ‘Haschberg’ pflanzen. Bevor die schwarzblauen Perlen in den Mund wandern, müssen sie allerdings in den Kochtopf. Denn die Holunderbeeren enthalten giftiges Sambunigrin, das Bauchweh verursacht. Erhitzen zerstört diesen Stoff und macht die Früchte zu einer idealen Marmeladen-Zutat.
Ein wenig säuerlich im Geschmack, aber auch in rohem Zustand unbedenklich, sind die länglichen Früchte der Kornelkirsche (Cornus mas), ebenso wie die Apfelbeere (Aronia melanocarpa). Und auch wenn man einen Teil dieser Früchte getrost den Tieren überlassen darf, schadet es überhaupt nicht, zuzugreifen. Ganz im Gegenteil: Diese Wildfrüchte enthalten viele Vitamine und Mineralstoffe und gelten als besonders gesund. Ein weiterer Vorteil: Sie reifen im Herbst und wappnen das Immunsystem gegen die ersten Erkältungen der Saison. Ueli Leuthold, Gärtner von Eden aus Oberrieden im Kanton Zürich, empfiehlt Beeren vom Wildstrauch nicht nur aus medizinischer Sicht: „Sie passen in einen Naschgarten, und das finde ich gut, weil das Pflücken jeden Menschen mit seinem Garten und der Natur verbindet.“
Erst blütenreicher Hingucker, dann Früchtespender
Wer im März und April pflanzt, kann sich noch in diesem Jahr über dekorative Beeren und kleine Früchte freuen, die nicht nur als Vogelfutter dienen.
Wie schön, dass sich Wildgehölze nicht nur im Herbst schmücken. Was sich spät in der Saison zur Frucht entwickelt, war vorher natürlich eine Blüte. Der zartgelbe Flor der Kornelkirsche im März gehört zu den ersten Hinguckern im Garten, gefolgt vom weißen Blütenschleier der Schlehe (Prunus spinosa) und den Holunderblüten-Wolken im Spätfrühling. Letztere sehen nicht nur hübsch aus, sondern werden gerne zu Sirup verarbeitet, der sich in den vergangenen Jahren zur unverzichtbaren Cocktail-Zutat gemausert hat.
Das beste Beispiel für ein schmuckes Multitalent bietet aber die Rose. Dass ihre Blüten der unumstrittene Star des Frühsommers sind, wird kaum ein Gartenbesitzer bestreiten. Wer sich für Wildarten wie die Apfel-Rose (Rosa rugosa) oder die Büschel-Rose (Rosa multiflora) entscheidet, schmückt seinen Garten darüber hinaus im Herbst mit besonders vielen Hagebutten. Das Mark der Früchte enthält so viel Vitamin C, dass manche Rose als Hausapotheke genutzt werden kann. Gartengestalter Klaus Gröning pflanzt sie deshalb hin und wieder auch der Früchte wegen: „Die ‘Pillnitzer Vitaminrose’ bildet sehr viele Hagebutten, erinnert optisch an Wildrosen und blüht in reinem Rosa. Die kann ich empfehlen.“ Ueli Leuthold hat ebenfalls einen Tausendsassa in Rosa gepflanzt: „In meinem eigenen Garten wächst die Sorte ‘Clair Matin’. Das ist zwar keine Wildrose, aber sie macht sich sehr gut in der Vase. Und wenn man die Blüten nicht abschneidet, schmückt sie sich am Ende der Saison mit Hagebutten.“