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TEXT   Kerstin Kleinschmidt

Wer erinnert sich nicht an Großmutters Garten? Genascht wurde dort immer gern. Hier schnell mal eine Himbeere gepflückt, dort verschwand eine Zuckerschote im Mund. Heutzutage fehlen den meisten Menschen
der Platz und die Zeit für einen eigenen großen Selbstversorgergarten. Platzsparende Naschgärten stellen glücklicherweise längst eine charmante Alternative dar. Und in Sachen Vielfalt muss dank regelmäßiger Neuheiten niemand Abstriche machen.

Jo Wietheger, Gärtner von Eden aus Bad Bramstedt, hat für seine Kunden schon unzählige Naschgärten gebaut. „Wer sich von uns einen Naschgarten anlegen lässt, will Natur bewusst erleben und begreifen, trotz geringem Platzangebot und wenig Zeit“, fasst er die Motive zusammen. Das leuchtet ein: Schmecken, riechen, wenn man in den sonnenwarmen Apfel oder eine Tomate beißt, und dabei die Insekten beobachten – das ist Genuss pur und eine Auszeit vom Alltag. „Das Spannende ist: Das Thema Naschgarten ist dynamisch. Altbewährtes funktioniert immer, aber es gibt auch dauernd neue Möglichkeiten, ihn noch vielfältiger zu machen.“

Bunte, gesunde Beerenvielfalt

Fragt man Jo Wietheger, was denn in keinem Naschgarten fehlen darf, muss der Experte nicht lange überlegen: „Beeren! Die Klassiker Himbeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren und Erdbeeren schmecken am besten direkt von der Pflanze.“ Schwung in die Beerenwelt bringen jene Sorten, die vor allem Food-Enthusiasten als Superbeeren ein Begriff sind, aber längst nicht in jedem Supermarkt zu finden sind. Diese exotischen Powerbeeren wachsen auch in heimischen Gefilden: Gojibeeren, die orangen, hagebuttenähnlichen Früchte des Bocksdorns, sind süß-säuerlich-herb, lassen sich frisch oder getrocknet genießen und enthalten wichtige Nährstoffe wie Eisen, Zink, Magnesium und Selen. Trotz ihrer asiatischen Herkunft ist die Pflanze nicht besonders anspruchsvoll. Sie wächst an sonnigen Plätzen mit durchlässiger Erde. Die lilafarbenen Blüten sind ein echter Hingucker und beliebt bei Bienen. Ebenfalls noch relativ unbekannt in deutschen Gärten ist Aronia, auch schwarze Apfelbeere genannt. Sie ist ursprünglich in Nordamerika zu Hause, wird aber vorwiegend in Russland kultiviert. Die erbsengroßen Beeren schmecken frisch überraschend herb, aber zusammen mit anderen Früchten zu Saft weiterverarbeitet überzeugen sie auch jeden Süßschnabel.
 Cranberrys werden in Nordamerika mithilfe der spektakulären Nassernte geerntet. Dort wachsen sie auf gigantischen Feldern, bei uns fühlt sich die Pflanze auf sandigem Untergrund als Bodendecker wohl. Und keine Sorge: Niemand muss seinen Garten fluten, schon etwa zehn Pflanzen des Heidekrautgewächses ergeben eine nennenswerte Ernte, die man aber problemlos per Hand erledigen kann.
Blaubeeren und Brombeeren sind an sich nicht neu im Garten, aber aufgrund ihrer Wuchsform schwierig auf kleinem Raum zu kultivieren. Spezielle Neuzüchtungen hingegen sind perfekte Naschgartenbewohner. „Die neuen Sorten wachsen kompakt und sind Zier- und Nutzpflanzen zugleich“, berichtet Ivonne Solbrig vom Pflanzenhandel zu Jeddeloh. „Das Laub der Blaubeeren färbt sich im Laufe des Jahres je nach Sorte von Pink über Orange zu Smaragdgrün, und die Ernte ist relativ groß, da die ursprünglichen Mutterpflanzen aus dem Ertragsanbau stammen“, fasst sie zusammen. Besonders gut lassen sich neue Waldheidelbeerzüchtungen, die Buchsbäumen vom Laub und Wuchs zum Verwechseln ähnlich sind, in den Naschgar-ten integrieren. Auch die sonst als widerspenstig bekannten Brombeeren kommen im Kübelformat daher, und das sogar nahezu ohne Dornen.

Spalier und Spindel statt Streuobstwiese

Weitaus schwieriger auf kleinem Raum unterzubringen als Beeren sind normalerweise Obstbäume. Jo Wietheger hat für seine Kunden gleich mehrere Lösungen parat, möglichst viele verschiedene Obstbäume zu haben: „Obstgehölze eignen sich bestens für Spaliere. Hierfür reicht sogar eine Hauswand.“ Vorteil: Birnen, Äpfel, Kirschen und Pflaumen wachsen wind- und kältegeschützt. Wer doch etwas mehr Platz zur Verfügung hat, kann Pflaumen, Birnen- oder Kirschbäume auch als schwebende Hecke oder als Sichtschutz in die Vertikale bringen und so elegant in die Gartengestaltung integrieren.
Weitere Möglichkeiten, mittlerweile nahezu alle Sorten auf Miniformat zu bringen, sind Säulen- und Spindelobst. Beide Formen sind auch für Kübel geeignet, und die Bäume erreichen eine überschaubare Höhe. Während sie bei ersterem schlank und ohne Krone wachsen, werden die Spindeln möglichst kegelförmig mit flach wachsenden Ästen gezüchtet. Dies garantiert eine gleichmäßige Nährstoffverteilung und zahlreiche Früchte.


Jo Wietheger
»„Beerenpflanzen eignen sich übrigens gut für Hochbeete. Man hat eine angenehme Pflückhöhe, Schädlinge bleiben fern Früchte reifen geschützter, das bedeutet einen optimalen Ertrag.“«
Südfrüchte im Norden

Melonen und Kiwis in unseren Breitengraden? Was noch vor wenigen Jahren eher experimentell war, hat nun eine feste Daseinsberechtigung in deutschen Gärten. „Eine der wenigen positiven Folgen des Klimawandels“, zieht Jo Wietheger Bilanz. „Die Wintr werden wärmer und die Sommer heißer. Melonen oder Lavendel werden beispielsweise sogar schon in vereinzelten Regionen kommerziell angebaut. Für den Naschgarten bedeutet dies noch mehr Vielfalt.“ In milden Regionen Deutschlands gelingt der Anbau klassischer Kiwisorten schon länger, aber mittlerweile gibt es noch mehr Sorten, die besonders robust und frostbeständig sind und so in jedem Fall den Winter überstehen. Kleinfruchtige und unbehaarte Sorten wie die violette Traubenkiwi Purpurna oder die Kiwibeere stehen ihren großen Verwandten geschmacklich in nichts nach und sind ideal zum Naschen. Sie wachsen lianenartig und benötigen daher ein stabiles Stützgerüst. Wassermelonen bereichern den Naschgarten auch in Snackgröße. Mit einem Durchmesser von nur zehn bis fünfzehn Zentimetern bieten sie komprimiert den Geschmack des südlichen Sonnenscheins und sie gedeihen sogar im Kübel. „Naschgärten sind in jedem Fall immer ein aktuelles Thema“, resümiert Jo Wietheger. „So verbinden unsere Kunden ihren Spaß am Genuss und am Gärtnern mit ihrem Interesse an der Natur. Mensch, Flora und Fauna können davon nur profitieren.“

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