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TEXT   Kathrin Melzer

Stadt, Land oder Fluss: Die Umgebung, in der ein Garten zuhause ist, spielt eine Hauptrolle bei der Gartengestaltung. Je nach Lage will eine mächtige Bergkulisse oder ein nüchternes Industriegebäude, eine verträumte Marschlandschaft oder einfach die Hauswand des Nachbarn in das Konzept integriert werden. Ob der Garten dabei mit seiner Umgebung verschmilzt oder beide als Kontrapunkte wirken, kommt ganz auf die örtlichen Gegebenheiten und die individuellen Wünsche des Gartenbesitzers an.

Ein 30.000 Quadratmeter großer Garten mit Reetdach-Haus in der schleswig-holsteinischen Natur. Wohin das Auge reicht Wiesen, Flussarme und niedrige Erdwälle, hierzulande Knicks genannt. Ganz versteckt – schon lange wähnt man die Grundstücksgrenze hinter sich – lässt ein Holzdeck mit Trockenmauer und Stühlen erahnen, dass der Garten noch nicht zu Ende ist. Zäune und Hecken sucht man vergebens; hier kann sich der Garten ohne Unterbrechung in der ihn umgebenden Landschaft fortsetzen. „Die Kunden wollten das Grundstück mit fließenden Übergängen offen und natürlich halten. Sogar Rehe sollen im Garten aasen dürfen“, erklärt Gärtner von Eden Christian Bahl aus Kiebitzreihe sein Konzept. Die Pflanzplanung greift heimische Bäume wie Weiden, Erlen und Birken auf, lässt Gartenbild und Naturlandschaft miteinander verschmelzen.

Selbst wenn sie nicht sofort ins Auge sticht oder sich naturgemäß im Hintergrund hält: Die unmittelbare Umgebung eines Grundstücks spielt für die Gartenplanung eine enorm große Rolle – und das gilt für den Reihenhaus- ebenso wie für den Bauerngarten. „Eine schöne Aussicht gehört betont und genutzt, eine störende kaschiert oder ausgeblendet“, bringt es Bahl auf den Punkt. Der Gartengestalter muss es wissen: Er fügt einerseits Stadt und Garten im urbanen Hamburg, andererseits Natur und Garten in den flachen Nordseelandschaften sowie in den sanften Hügeln der ostholsteinischen Schweiz zu einem harmonischen Bild zusammen.

Noch Garten oder schon Landschaft? Wer auf dieser Bank sitzt, verliert leicht die Orientierung – mit Absicht

Christian Bahl
»Die Kunden wollten das Grundstück mit fließenden Übergängen offen und
natürlich halten.«
Mehr als eine Kulisse

Die Elemente, die außerhalb des Grundstücks bei der Planung zum Tragen kommen, sind vielfältig. „Wasser ist in der Hamburger Gegend natürlich ein großes Thema, weil viele Grundstücke Zugang zu Kanal, Fluss oder See haben. Daher gehören ein Bootssteg oder -haus sowie Pontons für Kanus und Boote oft von vorneherein zum baulichen Konzept des Gartens“, erläutert Nordlicht Christian Bahl. Neben diesen und anderen praktischen Erwägungen – Sichtschutz vor den Nachbarn oder Ausblenden von Autoverkehr beispielsweise – kann die bauliche oder natürliche Umgebung die Gartengestaltung auch ästhetisch inspirieren. Dies bestätigt Gärtner von Eden Martin Müller aus Udligenswil im Kanton Luzern. „Gerade bei uns hier in der Schweiz mit dem typischen Bild von Bergen, Seen und Wäldern ist es elementar, die Landschaft zu berücksichtigen. Das grenzt den guten von dem schlechten Gartengestalter ab“, ist er überzeugt.

Professionelle Gartenplaner schaffen insbesondere vom Haus und von den verschiedenen Sitzplätzen aus Sichtachsen, um den Blick – je nach Gegebenheit – auf schöne Aussichten zu lenken oder um ihn von weniger attraktiven wegzuführen. Gartengestalter Müller rät hier vom reinen Guckkastenprinzip mit Hecken oder Wänden an drei und einer zur Aussicht hin offenen Seite ab. „Wichtig ist: Immer den Spannungsbogen halten! Dabei darf der Hauptsichtwinkel gerne unterbrochen werden, um ein dramatisches Bild zu schaffen. Ein Gemälde hat ja auch nicht nur einen Hintergrund, sondern erhält durch weitere Elemente im Vordergrund mehr Nähe und Tiefe“, erklärt er. In einem aktuellen Projekt hat Müller beispielsweise mit Bäumen einen Kontrapunkt zum Ausblick geschaffen, der offen über einen See auf die Schweizer Alpen schweifen kann. „Über die Kronen hinweg und unter ihnen hindurch – so lässt sich die Aussicht aus jeweils einer anderen Perspektive genießen“, sagt Müller.

Nah am Wasser gebaut
Wer das Glück hat, einen Garten am Kanal zu besitzen, sollte auch seine Gartenplanung darauf abstimmen
Eigentlich ohne Worte
Hier wurde die an sich schon atemberaubende Aussicht auf den See und die Schweizer Berge durch eine stilsichere Gartenplanung perfekt in Szene gesetzt
Der gelenkte Blick

Martin Müller lenkt auch den Blick, indem er Wasserzonen einplant, in denen sich Berge und Himmel beeindruckend spiegeln, oder indem er dem Pool mit Seeblick eine Überlaufkante gibt, damit Bergsee und Wasser im Garten eine optische Verbindung eingehen. Christian Bahl erinnert sich an einen Garten in einer eher urbanen Nachbarschaft, in dem er den Besitzern mit einem kleinen Kniff ein Fenster in eine andere Welt aufstieß: „Ein rechteckiger Durchbruch in der Rückwand einer Sitzplatznische öffnet nun den Blick auf eine Weide mit Kühen auf dem Nachbargrundstück“, schmunzelt er. Bauliche Elemente wie im Blickfeld platzierte Mauern oder künstlerische Objekte wie Riesen-Fensterrahmen verbänden den Garten ebenfalls mit seiner weiteren Umgebung. Desgleichen kann die Farb- und Materialwahl für Terrassen und die Wegeführung das natürliche Umfeld aufgreifen oder bewusst Gegenakzente setzen.


Martin Müller
»Gerade bei uns hier in der Schweiz ist es elementar, die Landschaft zu berücksichtigen.«
Ausgeblendet
Steinstelen und Bambus sind blickdicht, aber im Mix wirken sie leicht und abwechslungsreich
Bekenntnis zur Vergangenheit
Hier realisierte der Gartengestalter mit Materialien wie Kortenstahl den Brückenschlag zwischen der alten Industriearchitektur und der heutigen Nutzung als Wohnimmobilie
Mit fremden Federn
Hier braucht es keinen Sichtschutz zur Poolterrasse. Das angrenzende Feld schafft reichlich Abstand und schenkt den Gartenbesitzern Weite
Waldrandlage
Hohe Bäume und naturnahe Materialien schaffen einen harmonischen Übergang vom Garten zum umgebenden Wald
Insel im Grünen
Unmittelbar am Pool ist es hell und aufgeräumt. Dahinter wird die Bepflanzung immer dichter, so dass der Garten bruchlos in seiner Umgebung aufgeht

Im Idealfall spielen Garten und urbane Umgebung so zusammen, dass ein neues, attraktives Bild entsteht. Christian Bahl zum Beispiel nutzte bei einem Hamburger Hanggrundstück den Höhenunterschied, um die Perspektive auf verschiedenen Ebenen schrittweise zu weiten. Auf der untersten Ebene ist der Garten intim durch eine Hecke geschützt, auf der Terrassenebene darüber öffnet sich der Blick über die Alster und vom Balkon schließlich sieht man die gesamte Hamburger Altstadt und die im Bau befindliche Elbphilharmonie mit ihrer spektakulären Architektur. Wunderbare Aussichten für Gartenbesitzer!

Windrad-Alarm

Doch was passiert, wenn dominierende Neubauten die Idylle im Gartenparadies bedrohen? In Schleswig-Holstein etwa hat die Energiewende zunehmend Folgen für die Gartenplanung. „Die Aufstellung von Windkrafträdern in der Umgebung eines Gartens erfordert manchmal ungewöhnliche Maßnahmen“, sagt Christian Bahl. In einem Fall half nur ein neues Gehölz, das in einer Großaktion mit einem Kran auf das Grundstück gehoben wurde. Mit nur einem Baum gegen ein riesiges Windrad? „Ja, der einzelne Eisenholzbaum reicht tatsächlich aus, um die Sicht auf das Windrad zu kaschieren“, bestätigt Bahl. Sogar im Winter schimmert das störende Objekt nur wenig durch das dichte Geäst des neuen Hausbaums.

Auch in kleineren Gärten lässt sich die Umgebung für das Gesamtbild umdeuten oder gar nutzen. Die Mauer zum Nachbargrundstück kann durch Berankung zur mediterranen Augenweide werden. Ein markantes Wasserspiel oder eine besondere Pflanze mit üppiger Blüte oder attraktivem Laub zieht den Blick in den Garten hinein – weg von unattraktiven Gebäuden ringsum. Bei Stadtprojekten begrünt Martin Müller gerne Innenhöfe mit großen Bäumen wie der immergrünen Magnolia grandiflora, um einen effektiven Sichtschutz und zugleich eine grüne Oase für die Nachbarschaft zu schaffen. Gärten in einem Gewerbegebiet empfindet er als besondere Herausforderung. „Hier muss der Planer durch besondere Akzente den Blick in den Garten lenken, den Blick nach oben aber brechen, zum Beispiel durch schirmförmige Pflanzen, Segel oder Dächer“, sagt er.

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