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TEXT   Christine von Welck

Sich in seinem Garten wohlfühlen – das klingt nach dem Selbstverständlichsten der Welt. Doch was sorgt eigentlich für diese schwer zu beschreibende Mischung aus Zufriedenheit, Entspannung, Genuss und vielem anderen mehr? Gartenprofis wagen eine Annäherung.

En Artikel zum Thema Wohlfühlen lässt sich wunderbar mit einem tiefen Griff in die Phrasenkiste beginnen. Dort zu finden sind Sätze wie: „Über Geschmack lässt sich nicht streiten“ und „Schönheit liegt
im Auge des Betrachters“. Was da so vermeintlich platt daherkommt, hat einen gemeinsamen Nenner, der zum Thema Wohlfühlen gut passt: Subjektivität. Dieser Beitrag handelt also von der Subjektivität, und man könnte meinen, damit würde es sich um eine überaus kurze Geschichte handeln: Jedem gefällt etwas anderes, folglich gibt es keine allgemeingültigen Kriterien dafür, wie sich Wohlbefinden erzeugen lässt, und deshalb muss man jeden Garten individuell gestalten. Ende der Geschichte.

Den Gartenbesitzer kennenlernen

So weit, so richtig. Doch ganz so eindimensional und damit für den Gartengestalter einfach ist die Sache dann doch nicht, sind sich Cornelia König und Erik Peters einig. Für die beiden Gartengestalter – sie Geschäftsführerin von Meißner Gartengestaltung in Garbsen bei Hannover, er Geschäftsführer von Grütters Gärtner von Eden in Sonsbeck am Niederrhein – ist die Herangehensweise bei jedem neuen Projekt dieselbe: Sie setzen sich immer intensiv mit den Gartenbesitzern, ihrem Lebens- und Einrichtungsstil, ihren Vorlieben und Abneigungen, ihren Hobbys, der Familie und natürlich dem Ort auseinander, den es zu gestalten gilt. „Aktives Zuhören“ nennt Erik Peters das und meint damit, dass es nicht genügt, Gartenbesitzer reden zu lassen, um alles zu erfahren, was man wissen muss, um ihnen ihr individuelles Wohlfühlparadies auf den Leib zu schneidern. Vielmehr gilt es auch, die richtigen Fragen zu stellen, zu filtern und zu interpretieren: „Das Wichtigste für unsere Arbeit steht meist zwischen den Zeilen“, weiß er aus Erfahrung. Gestik, Mimik, das Leuchten in den Augen, wenn von einem Urlaub oder Lieblingsfarben die Rede ist. All diese Eindrücke sammelt Peters, ergänzt um die expliziten Aussagen der Gartenbesitzer. Das ist auch für Cornelia König der zentrale Ausgangspunkt für ihre Arbeit. Sie weiß aber auch aus Erfahrung, dass Gartenbesitzer oft nicht konkret benennen können, was sie an ihrem Garten stört, lediglich wissen, dass sie sich mit ihm und in ihm nicht wohlfühlen.




Traditioneller Dorfbrunnen modern interpretiert. Das Plätschern von Wasser unterstützt den kontemplativen Charakter eines Gartens.

Weg mit dem Zuviel

Oft ist der erfahrenen Planerin allerdings schon beim ersten Blick in den Garten klar, wa-rum seine Besitzer mit ihm nicht recht glücklich sind. Dabei geht es dann auch nicht mehr um Subjektivität und individuellen Geschmack, sondern um das kleine Einmaleins der Gestaltung, das so oder so ähnlich auch für Innenräume gilt. „Oft begegnet mir einfach ein Zuviel von allem in den Gärten“, fasst sie zusammen. „Da wurden Pflanzen miteinander kombiniert, die weder farblich noch von ihrem Wuchs her zusammenpassen, da stehen zu viele unterschiedliche Arten in den Beeten.“ Reduktion ist also eine der zentralen Empfehlungen von Cornelia König auf dem Weg zum Wohlfühlgarten. Geist und Auge brauchen Ruhe – keine Langeweile, wohlgemerkt –, und die trägt maßgeblich zum Wohlfühlen bei. Auch bei den Materialien, den Formen, Farben, Oberflächen und der Anzahl der Gestaltungselemente gilt es, das rechte Maß zu finden. Welches das ist, hängt nun wiederum von unterschiedlichen Faktoren ab: vom vorherrschenden Gartenstil zum Beispiel, denn ein üppiger Bauerngarten verträgt deutlich mehr und buntere Farben als der in sich ruhende Ästhetengarten. Ein anderer Faktor ist aber auch schlicht und ergreifend die Grundstücksgröße: Kleinen Gärten steht ein „Weniger ist mehr“ eindeutig besser zu Gesicht, auf großen Flächen hingegen lassen sich gut mehrere Gartenzimmer einrichten, die in der Summe mehr Raum für unterschiedliche Gestaltung bieten können.

Stimmig bleiben

Eine andere gestalterische Grundweisheit ist, auf die Proportionen zu achten. Das heißt: Sämtliche Gestaltungselemente sollten in ihren Dimensionen in Bezug zueinander und zur Größe von Haus und Garten gesetzt werden. „Allerdings gibt es hier keine Faustregel“, gibt Cornelia König zu bedenken. „Die richtigen Proportionen zu finden, hat viel mit ästhetischem Empfinden und Erfahrung zu tun. Ich persönlich setze bei einzelnen Elementen zum Beispiel auch gern auf ‚Big is beautiful‘, platziere etwa auf einer nicht besonders großen Terrasse ein sehr großes Windlicht, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dann wird es regelrecht zum Kunstobjekt. Wichtig ist aber auch, es bei dem einen Blickfang zu belassen. Sonst sind wir schnell wieder bei einer optischen Überforderung.“


Cornelia König
»"Die richtigen Proportionen zu finden, hat viel mit ästhetischem Empfinden und Erfahrung zu tun."«
Freiluftwohnzimmer
Die Sitzwürfel aus wetterfestem Material unterstreichen den wohnlichen Charakter dieses kleinen Gartens.
Willkommen im Garten: Sitzgelegenheiten an verschiedenen Stellen
machen einen Garten wohnlich.
Wohlfühlen ist planbar

Neben solchen gestalterischen Grundregeln gibt es weitere Dinge zu beachten, um einen Garten zum Wohlfühlort werden zu lassen – manche davon ganz pragmatische, andere eher aus der Abteilung „gesunder Menschenverstand“. Zu den pragmatischen gehört, die Faktoren zu minimieren oder am besten ganz auszuschließen, die dafür sorgen, dass sich Menschen nicht wohlfühlen. „Wenn man draußen ist, spielen Licht, Wind und Wärme eine große Rolle für das Wohlbefinden“, zählt Erik Peters auf. „Und die wollen wohl dosiert sein. Ein Sitzplatz kann noch so schön gestaltet sein: Wenn er in der prallen Sonne liegt oder es dort ständig zieht, wird man sich dort nicht regelmäßig niederlassen.“ Dementsprechend spielen Sonnen- und Windschutz eine wichtige Rolle bei der Planung eines Wohlfühlgartens. Und wenn man schon beim Thema Schutz ist: Auch ein durchdachter Sichtschutz gehört in diese Aufzählung, denn der eigene Garten ist ein durch und durch privater Ort, in dem man sich ganz unbefangen – und das heißt auch ungesehen – bewegen möchte. Aufenthaltsqualität ist hier das entscheidende Stichwort. Die gewinnt zum Beispiel dadurch, dass ein Garten schöne Plätze für die unterschiedlichsten Situationen und Zeiten bereithält: hausnah und großzügig für die Mahlzeiten in großer Runde, intim und schattig für die Siesta oder von der Abendsonne verwöhnt für den Feierabenddrink zum Beispiel.

Der perfekte Ort für einen Mittagsschlaf scheint diese Liege zu sein.
Erik Peters
»"Wenn ein Sitzplatz in der prallen Sonne liegt oder es dort ständig zieht, wird man sich dort nicht regelmäßig niederlassen."«
Es ist sicher auch bequem – doch dieses Sofa zeigt, wie sehr schöne Gartenmöbel zum Wohlfühlcharakter eines Gartens beitragen.
Gestalten mit Pflanzen und Licht

Cornelia König ist überzeugt, dass es im Wesentlichen die Pflanzen sind, die einen Garten zum Wohlfühlort machen: „Erst mit den Pflanzen kommt die Seele in den Garten.“ Und Erik Peters appelliert, Gartengestaltung nicht zur Materialschlacht werden zu lassen: „Die Pflanzen sollten absolute Priorität genießen.“ Darüber hinaus trägt auch Licht sehr zum Wohlbefinden bei. Das kann den Garten so in Szene setzen, dass er seine Bewohner ganz in seinen Bann schlägt. Dazu gehört, einzelne Pflanzen oder auch eine Mauer von unten anzuleuchten. So verleiht man einem Garten zusätzliche Tiefe und bringt tagsüber unsichtbare Aspekte zum Vorschein. Fazit von Cornelia König: „Mit einer durchdachten Lichtplanung bekommt man eigentlich noch einen zweiten Garten dazu, so überraschend und vielschichtig sind ihre Effekte.“

Praktisch unsichtbar

Ein Garten hat allerdings nicht immer ausschließlich den Zweck, seine Besitzer glücklich zu machen, sondern oft auch einfach ein paar simple Funktionen – und so manches funktionale Element macht einen Garten nicht eben gemütlich. Deshalb achtet Erik Peters bei seinen Planungen immer darauf, Dinge wie Wäschespinne, Regen- oder Müllsammelbehälter, Rasenmäher und Gartenschlauchanschluss so zu platzieren, dass sie dezent im Hintergrund oder gar ganz unsichtbar bleiben. Cornelia König ist außerdem wichtig, nicht immer nur in Frühlings- und Sommergartenbildern zu denken: „Viele Unschönheiten offenbaren sich gerade dann, wenn Blüten und Blätter nicht mehr alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“ Die Überzeugung, dass ein Garten nur zwischen April und Oktober schön aussehen muss und im Winter getrost trostlos sein darf, hält sie für grundfalsch: „Der Garten erfährt eine deutlich höhere Wertschätzung, wenn sein Anblick das ganze Jahr über positive Gefühle weckt.“ Eine umsichtig zusammengestellte Bepflanzung ist ebenfalls ein wichtiger Wohlfühlfaktor im Garten – und das nicht nur in der kalten Jahreszeit. Natürlich spielt auch hier der individuelle Geschmack der Besitzer die Hauptrolle, dennoch gibt es Pflanzen, die ganz allgemein den Garten schöner und damit wohnlicher machen. Bäume zum Beispiel – in ihrer Größe auf die Dimensionen des Gartens abgestimmt – tragen zur Raumbildung und damit dazu bei, dass man sich im Garten geborgen fühlen kann. Außerdem spenden sie im Sommer Schatten und sind gut für das garteneigene Mikroklima.

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